Blog: Pilgerimpressionen

Die Qualität des Weges bestimmt, wie Du das Ziel erreichst.“ (nach Wim Lijupers)

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An einem neblig-frischen Novembermorgen breche ich auf: 5 Tage Rheinsteig – nur mit mir. Meinen Ausgangspunkt habe ich festgelegt – alles andere ist offen. In einem gemütlichen Café stärke ich mich vor der ersten Etappe – ich will es mir gut gehen lassen. Steil und steinig schlängelt sich der Pfad durch die Weinberge.

Fasziniert durch die bunten Herbstfarben bleibe ich immer wieder stehen: schaue, fühle, rieche. Endlich keine Ablenkung – mein einziger Spiegel weit und breit ist die Natur, die in harmonischer Schönheit und Ruhe einfach daliegt. Frieden breitet sich in mir aus, meine Schritte werden langsamer. Alle Anspannungen fallen ab und mein Gehen wird leicht. Meine Gedanken beginnen zu atmen – ein und aus.

Am frühen Morgen entdecke ich eine Zauberwiese, die in stiller Pracht ruht. Tautropfennovemberschoenheit reihen sich wie Perlen an einer Kette auf Spinnweben und Fäden. Das Wunder ist überall zu sehen – jedes Blatt, jeder Grashalm ist mit Diamanten geschmückt. Wie gut es tut, meinen eigenen Rhythmus zu spüren und ihm zu folgen. Ich gehe ganz nach meinem Gefühl, bleibe stehen, schaue, mache Fotos. Die Wanderer haben mich inzwischen alle überholt. Alles ist gut.

Doch mache ich auch andere Erfahrungen, die Erfahrung, nicht mehr im eigenen Rhythmus zu sein, mich von anderen Wanderern aus der Ruhe bringen zu lassen, mir zu weite Etappen vorzunehmen und dadurch in Dunkelheit, Regen und Kälte zu kommen. All das macht den Weg aus.

Am Ende merke ich, was das eigentlich Wichtige auf meiner Pilgerwanderung war: die Pausen. Die Momente des Innehaltens, des „nur“ Schauens, des Ausruhens. Die Momente, in denen ich wieder in meine Mitte komme, in denen ich einfach nur atme und bin, hier & jetzt. Diese Momente, in denen sich der Horizont weitet und der Weg auf einmal eben und leicht wird. Momente in denen sich die Sonne ein Loch durch die Wolkendecke bohrt und eine Gruppe von Rotschwanzmilanen sich über mir erhebt. Diese Momente machen die Qualität des Weges aus und lassen mich erfüllt, begeistert und glücklich ans Ziel kommen.

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